Die Innovationsfähigkeit in Deutschland sinkt weiter und bringt unseren Wohlstand in Gefahr
„Der Mittelstand zieht sich immer mehr aus der Innovationstätigkeit zurück“, beobachtet Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Für die Zukunftsfähigkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist das eine gefährliche Entwicklung - schließlich spielen Innovationen eine große Rolle für Beschäftigung, Wachstum und Produktivität“.
„Vor dem Hintergrund der ambitionierten Innovationsstrategien im Ausland sind dazu erhöhte Forschungsanstrengungen hierzulande notwendig. Die deutsche Wirtschaft kann sich nicht auf ihrem technologischen Vorsprung ausruhen, sondern muss ihre Vorreiterrolle sichern und Zukunftstechnologien entwickeln“, [1]so Dr. Fritzi Köhler-Geib.
Meiner Meinung nach, ist die bisherige Innovationsfähigkeit, insbesondere des Mittelstands im DACH-Raum, einer der wesentlichen Gründe, warum wir in Wohlstand leben und uns einen Sozialstaat leisten können. Wenn wir wollen, dass dies auch noch in fünf oder 10 Jahren der Fall ist, müssen wir nun also anscheinend unser bisher erfolgreiches Verhalten ändern.
Veränderung ist immer schwer, aber warum müssen wir überhaupt etwas verändern?
Im IT-Umfeld spricht man immer gerne vom Prinzip: „Never touch a running system“.
Also warum sollten wir ein bisher erfolgreiches System, welches uns über Jahrzehnte hinweg mit Wohlstand versorgt hat, überhaupt ändern oder anpassen?
Dafür gibt es einen sehr einfachen Grund, denn das Prinzip funktioniert leider nur dann gut, wenn alle das System beeinflussenden Umstände unverändert bleiben. Wenn wir also wollen, dass „alles beim Alten bleibt“, würde das in Bezug auf unsere Wirtschaft bedeuten, dass auch das globale System unverändert bleiben muss. Sicherlich wird niemand widersprechen, dass diese Stabilität, so sehr wir uns diese auch wünschen, in weite Ferne geraten ist und dies hat somit zur Konsequenz, dass wir etwas an unserem Prinzip [l1] verändern müssen.
Das Selektionsprinzip von Charles Darwin besagt, dass bei Bestehen einer Variabilität (= Gegenteil von Stabilität) ein Selektionsdruck entsteht, welcher zu einer natürliche Evolution führt. Allgemein spricht man dann davon, dass „derjenige überlebt, der sich am besten an das veränderte Umfeld anpassen kann“.
Evolution - Chance oder Risiko?
In letzter Zeit höre ich von vielen Unternehmern, dass man gut auf die „Krise“ vorbereitet sei, dass die „Kriegskassen“ gefüllt sein und dass man davon ausgeht, auch aus dieser „Krise“ wieder gestärkt hervorzugehen, wenn sich der Sturm denn nur bald gelegt hätte. Man werde an der Kostenschraube drehen, Prozesse anpassen und effektiver gestalten, sich eventuell von Mitarbeitern trennen, usw. – klassisches Krisenmanagement eben. Bei solchen Äußerungen frage ich mich nur immer wieder aufs Neue, wovon diese besagten Unternehmer eigentlich sprechen? Welche „Krise“? Meiner Meinung nach herrschen aktuell „Goldgräberzeiten“, wie man sie schon lange nicht mehr erleben durfte. Wann hatte man in unserer Geschichte denn schon einmal einen solch frei verfügbaren Zugang zu schier unendlichem Wissen und Informationen (zumindest in freien Ländern)? Wann konnte man sich modernste Technologien denn schon einmal so einfach beschaffen, als ob man im Supermarkt einkaufen ginge? Wann waren beliebige Kunden weltweit durch das Internet zu marginalen Kosten denn schon einmal so einfach erreichbar? Und, und, und? Immer dann, wenn ich im Ausland (USA oder China) unterwegs bin, habe ich nicht den Eindruck, dass die Menschen dort Angst vor Veränderung haben. Diese negative Geisteshaltung erlebe ich leider fast ausschließlich hier in Zentraleuropa. Wahrscheinlich kommt es immer auch auf die Perspektive an. Wir sollten also unbedingt vermeiden, irgendwann zu den Dinosauriern zu gehören, die früher oder später aussterben werden.
Wie müsste man sich nun also anpassen, um zu den Gewinnern der Evolution zu gehören?
Anscheinend fällt es Unternehmen schwer, sich auf Veränderungen einzustellen und diese als permanente Chance für die Steigerung der Innovationskraft und somit zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit zu nutzen. Woran liegt das? Aus meinen eigenen Erfahrungen aus etlichen Unternehmen, welche ich als externer Experte unterstützen durfte, kenne ich leider nur sehr wenige Unternehmen, die ein „Innovationsmanagement“ als strategischen Prozess für die permanente „Steigerung der eigenen Zukunftsfähigkeit“ verstehen. Kaum eines hat eine strategische Zukunfts-Roadmap (siehe meinen letzten Artikel) und könnte somit permanent externe Chancen nutzen und/oder operative Entscheidungen des Tagesgeschäfts so zielgerichtet treffen, dass jede einzelne dieser Entscheidungen das Unternehmen dem übergeordneten strategischen Ziel ein Stück näher bringt.
5 Hebel für die gesteigerte Zukunftsfähigkeit
Im Folgenden zeige ich fünf Hebel auf, die Ihnen dabei helfen einen Prozess im Unternehmen zu etablieren, um die „Zukunftsfähigkeit“ Ihres Unternehmens zu steigern.
Viele Unternehmen nutzen den ein oder anderen Hebel vielleicht bereits isoliert oder in Form eines temporär geplanten Projektes, verlieren dadurch aber den Blick auf das Gesamtbild und die Kraft, die in einem permanent angelegten Prozess schlummert.
Als auf Zukunftsfähigkeit ausgelegtes Unternehmen, sollte Ihnen die Bedeutung aller 5 Hebel stets bewusst sein und diese auch festverankert gelebt werden.
1. IDENTIFY
In dieser Phase des Innovationsprozesses beobachten Sie die Gegebenheiten Ihres Umfelds.
Sie analysieren und bewerten Chancen und Potentiale in alten und neuen Märkten. Zudem überprüfen Sie das Verhalten von alten und neuen Wettbewerbern analysieren und bewerten Chancen und Potentiale von alten und neuen Kundengruppen und wie sich deren Verhalten verändert hat, oder verändern wird.
Speziell dieser Schritt kommt in den meisten Unternehmen viel zu kurz! Wissen Sie denn genau Bescheid, wie sich die Bedürfnisse Ihrer Kunden, aufgrund des volatilen Umfelds, der auch auf diese einwirkt, verändern wird, oder welche neuen Kundengruppen durch die Veränderungen in Ihren Fokus geraten sollten? Viel zu oft fokussieren sich etablierte Unternehmen auf ihre internen Produkte oder Lösungen (typischer FuE-Fokus) und übersehen dabei die Veränderung der Kundenbedürfnisse. Diese Fokussierung war gut geeignet, wenn es darum ging, ungesättigte Märkte möglichst effizient mit Produkten und Lösungen zu bedienen, ist aber leider ein schlechter Ratgeber in gesättigten Märkten.
Desweiteren überprüfen Sie die Auswirkungen von (Micro-) Trends (sozialer, ökologischer, ökonomischer, politischer Natur) auf Ihr Unternehmen, auf Ihre Märkte und Kundengruppen und zuletzt überprüfen Sie, welche (Standard-) Technologien es gibt. D.h. Sie überprüfen deren jeweiligen Reifegrad und entscheiden welche der Technologien sinnvoll für Ihr Unternehmen erscheint. Alle Erkenntnisse sollten sauber aufbereitet und bewertet sein und die Bewertung nach klaren, auf Ihr Unternehmen zugeschnittenen Kriterien erfolgen und diese transparent nachvollziehbar sein.
Durch Kombination der daraus gewonnenen Erkenntnisse eröffnet dieses Vorgehen dann fast automatisch verschiedene Handlungsfelder, wie zum Beispiel:
Handlungsfeld "Best Ager" - Die Kundengruppe der „best ager“ wird in den nächsten Jahren stark wachsen, dadurch wird das Kundenbedürfnis „XYZ“ im Markt „ABC“ deutlich zunehmen. Der Einsatz der Technologie „LMN“ sowie „OPQ“ scheint perfekt geeignet, um das Bedürfnis befriedigen zu können.
2. INVESTIGATE Sobald Sie unterschiedliche Handlungsfelder erarbeitet haben, vertiefen Sie die Datengrundlage für Ihre Mitarbeiter, indem Sie zu den einzelnen Handlungsfeldern mögliche Geschäftsmodell-Logiken ( z.B. nach dem Business-Modell-Navigator) ergänzen, mit welchen das Bedürfnis wahrscheinlich befriedigt werden könnte.
Zusätzlich ergänzen Sie weitere existierende Geschäftsmodelle, die ähnliche Bedürfnisse in eventuell anderen Märkten oder bei anderen Kundengruppen bereits gelöst haben – sozusagen als „Inspiration“.
Um in unserem Beispiel von oben zu bleiben, würde das bedeuten, dass wir unserem Handlungsfeld "Best Ager" bestimmte Geschäftsmodell-Logiken hinzufügen würden, die sehr gut für die besagte Kundengruppe der geeignet wären, wie zum Beispiel "Abomodelle", oder "Everything-as-a-Service-Modelle".
Danach würden wir noch bestehende Geschäftsmodelle, die einen guten Job im Kontext des Kundenbedürfnisses, oder der Kundengruppe machen addieren, wie zum Beispiel das "Kintell Smart Health System", oder "Funtrek-Tours", welche spezielle Urlaubsprogramme für die ältere Generation anbieten, um daraus "Inspirationen" ableiten zu können, die der eigenen Idee mehr Kraft verleihen können.
3. IDEATE Mit dieser tollen Vorarbeit „beglücken“ Sie nun Ihre Mitarbeiter und lassen Sie für unterschiedliche Handlungsfelder konkrete Ideen entwickeln.
Ich halte es für schlau und sinnvoll, dass die Mitarbeiter „kollaborativ“ an Ideen arbeiten können und es somit idealerweise einen strategischen Ideenrahmen gibt, den Sie ohnehin durch die Zusammenstellung der Inhalte des jeweiligen Handlungsfeldes schon vorgegeben haben. In meinem Ansatz gehe ich davon aus, dass sich Menschen sehr schwertun, von ganz alleine tolle Ideen zu entwickeln, aber sehr gut darin sind, Ideen zu entwickeln, wenn sie nur genügend Vorarbeit und Inspirationen vorfinden.
Auch die Ideenentwicklung sollte strukturiert erfolgen, also machen Sie sich Gedanken, welche Inhalte mindestens vorhanden sein müssen, sodass Ideen weiterentwickelt und bewertet werden können (z.B. "Welches Kundenproblem wird hier gelöst?", "Warum ist diese Idee besser als bestehende Lösungen?", "Wie groß könnte der Markt für eine solche Idee sein?", "Wie sieht die Lösung konkret aus?", usw.).
Ich bin ein großer Fan davon, dass jeder Mitarbeiter die Idee eines Kollegen mit- und weiterentwickeln kann bzw. darf und dass alle Ideen von allen Mitarbeitern (zumindest im ersten Schritt) transparent und nach klar definierten Kriterien bewertet werden (Kriterien könnten hier zum Beispiel der Innovationsgrad der Idee sein, das Marktpotential, die in der Unternehmung vorhandene Kompetenz bezüglich der Idee, der Kostenaufwand für die Umsetzung, usw.).
4. IMPACT Die bereits für gut befundenen Ideen werden dann in einem nächsten Schritt unter Zuhilfenahme von Kollegen, einem möglichen Innovationsteam und schließlich den passenden internen Experten zu weiterer Reife geführt.
Hierfür eignen sich zum Beispiel bestimmte Ideenworkshops (z.B. Design-Thinking-Workshops, Hot Groups, Bootcamps, etc.).
Im Anschluss werden diese dann von einem Top Management Gremium bewertet und entschieden, welche der Ideen nun als Business Case ausgearbeitet und realisiert werden sollen.
5. IMPLEMENT
Zu guter Letzt werden die besten Business Cases ausgewählt (nach klar definierten, transparenten Bewertungskriterien) und zum Beispiel vom Top-Management, oder den Gesellschaftern „finanziert“. Auch für die Finanzierungsrunde gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie Sie Ihr geplantes Innovationsbudget verteilen können (z.B. interne Pitches vor einem Gremium aus unterschiedlichen Experten, kollaborative Crowdfunding Methode, Casino-Prinzipien, etc.).
Je nach geplanter Lösung im Business Case kommen dann im nächsten Schritt unterschiedliche Verfahren zur Anwendung, wie möglichst schnell, im Sinne des „build-measure-learn“-Ansatzes, Erkenntnisse darüber erzielt werden können, ob die geplante Lösung das erwartete Marktpotenzial erreichen kann oder nicht. Hier können Sie je nach Art der Lösung (z.B. echtes haptisches Produkt, oder Online-Dienst, oder Aboservice, etc.) auf zum Beispiel "minimum-viable-product"-Ansätze, "Rapid-Prototyping"-Methoden, oder ähnliche Herangehensweisen zurückgreifen.
Kann das Potential erreicht werden, erfolgt danach die „Go-to-Market“-Phase, in der „nur“ noch darüber entschieden wird, in welcher Form die Lösung den Markt „bereichern“ wird – sei es z.B. als interne Sparte, als internes Start-Up oder als Spin-Off.
Das Ziel ist es eine strategische Future Roadmap zu entwickeln, an welcher sich das Unternehmen mittel-/ und langfristig ausrichten kann.
Also...
in welchen Märkten,
für welche Kundengruppen,
mit welchen Lösungen (Produkte, Dienstleistungen, Services,...),
mit welchen eigenen Kompetenzen und
unter Verwendung welcher Technologie,
das Unternehmen in den nächsten 1-5 Jahren aktiv und erfolgreich sein will.
Unternehmensstrategie vs. Innovationsmanagement
Was ist nun das "führende System", die Unternehmensstrategie, oder das Innovationsmanagement?
Für mich muss es das Ziel eines jeden Unternehmens sein, über eine kluge, individuell passende „Future Roadmap“ zu verfügen, an welcher es seine Aktivitäten ausrichten kann: z.B. operative Entscheidungen im Tagesgeschäft, Personalentscheidungen im Kontext von Kompetenz, Investitionen, etc.
Diese Future Roadmap wird durch das Innovationsmanagement permanent befüllt und auf Zukunftsfähigkeit hin überprüft, um daraus schließlich die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu abzuleiten.
Darf ich Sie bei der Überprüfung Ihrer Zukunftsfähigkeit unterstützen? Haben Sie Fragen zu den Hebeln des Innovationsmanagements? Sehen Sie etwas völlig anders? Dann kontaktieren Sie mich gerne direkt sw@boostinnovation.de
Herzlichst,
Stephan Wegerer
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